Zu beschreiben, was in einem vorgeht wenn man Choeung Ek (Killing Fields) und Tuol Sleng (S-21) besucht ist alles andere als einfach. Einige Besucher von Phnom Penh verzichten ganz bewusst auf den Besuch der Gedenkstätte und des ehemaligen Foltergefängnisses. Ich wollte mir gerne ein Bild davon machen und habe mir einen Tag Zeit genommen beides zu besichtigen. Oft genug bleibt einem fast die Luft weg und der Kloß im Hals mag auch am Abend noch nicht wirklich weg gehen. Einen Besuch der beiden Orte empfehle ich trotzdem.
Um ehrlich zu sein wusste ich nicht viel bis fast gar nichts von der jüngeren Geschichte Kambodschas. Nicht nur, dass ich zu jung bin um irgendwas davon mitbekommen zu haben und das Kambodscha unter der Schreckensherrschaft der Roten Khmer und Pol Pot sowieso nichts über die Geschehnisse im Land nach außen hat dringen lassen. Auch im Geschichtsunterricht haben wir nie über den französischen Krieg in Indochina oder die Zeit davor und danach gesprochen. Und wieder ist mir bewusst geworden wie schlecht und einseitig der Geschichtsunterricht an deutschen Schulen ist. Bei den Vorbereitungen zu meiner Reise nach Vietnam 2012 ist mir das auch schon sauer aufgestoßen.
Ja, ich wusste dass in Kambodscha üble Dinge passiert sind und ich wusste mit dem Namen Pol Pot ganz entfernt etwas anzufangen. Dass aber unter der Herrschaft der Roten Khmer in nur vier Jahren (zwischen 1975 und 1979) vermutlich 2-3 Millionen Kambodschaner gefoltert und ermordet wurden war mir so nicht bewusst. Erst in Vorbereitung auf meine Reise nach Kambodscha habe ich mich mit diesen Dingen beschäftigt.
Pol Pot, der Bruder Nummer 1 der Roten Khmer, der eigentlich Saloth Sar hiess verfolgte die fanatische und radikale Idee vom Bauernstaat und kämpfte mit seinen Roten Khmer gegen alles und jeden der sich ihm in den Weg stellte und auch gegen jene die das nicht taten. Pol Pot, früher selber Lehrer erklärte Intellektuelle und Gebildete für unnötig und unerwünscht und befahl allen Einwohnern Phnom Penhs unter Androhung der Todesstrafe die Stadt zu verlassen um auf dem Land als Feldarbeiter zu arbeiten. Menschen wurden grausamst gefoltert und unter Folter gezwungen sich selbst, Eltern, Freunde und Nachbarn zu verraten. Pol Pot sagte besser tötet man Unschuldige als auch nur einen Verräter entwischen zu lassen. Zwangsarbeit, Armut, Krankheiten, Paranoia und (oft unbegründeter) Verrat bestimmten den Alltag der Kambodschaner.
Tuol Sleng – S-21
Eines der vielen Foltergefängnisse – Tuol Sleng, auch S-21 – liegt mitten in der Hauptstadt. Die ehemalige Schule ist heute ein Mahnmal und eine Gedenkstätte für die Opfer des Auto-Genozids. Wenn man durch die verschiedenen Gebäude läuft und die „Zellen“ sieht, die Folterinstrumente und schlussendlich durch die Ausstellungsräume mit den Bildern der Opfer kommt kann einem nur schlecht werden. Die Gebäude waren mit unter Strom stehendem Stacheldraht versehen, die Zellen der „wichtigeren“ Insassen mit Stahlbetten die zu Folterzwecken auch unter Strom gesetzt wurden. Man sieht diese Räume, man sieht die Betten und man sieht Fotos der Opfer. Viele starben schon hier. Ehemalige Klassenräume wurden in Einzelzellen aus Holz oder Beton unterteilt. Die Wärter ließen sich die grausamsten Foltermethoden einfallen um Geständnisse aus ihren ehemaligen Nachbarn, Freunden und Bekannten zu erpressen. Die Insassen wurden verstümmelt, unter Strom gesetzt, in Wasserbecken bis zur Bewusstlosigkeit getränkt und kopfüber an Händen und Füssen vor dem Gebäude B solange aufgehängt bis sie bewusstlos waren. Die Wärter kannten keine Gnade. Aber auch sie waren nur ein Spielzeug dieses Terrors. Kaing Guek Eav, besser bekannt als Duch, der das Gefängnis leitete gestand während des Tribunals, dass er für den Tod von 12.380 Leben verantwortlich ist.
So pervers es ist, die Roten Khmer haben ähnlich den Nazis sehr genau darüber Buch geführt wen sie umgebracht haben. Darunter Freunde und ehemalige Weggefährten. Eindrucksvolle Einblicke gibt es in dem Buch Die Kinder der Killing Fields: Kambodschas Weg vom Terrorland zum Touristenparadies das ich nur empfehlen kann.
Im Innenhof sieht man Gräber der letzten 14 Opfer von S-21 und am Ende des Rundgangs sitzen zwei oder drei Überlebende des berüchtigten Gefängnisses um ihre Geschichte zu erzählen. Ich muss gestehen, dass ich nicht stehen bleiben konnte. Ich musste weg von dem Gelände und wie mir ging es vielen. Es ist unvorstellbar was hinter diesen Mauern passiert sein mag und es ist fürchterlich, dass solche und ähnliche Dinge in verschiedenen Teilen der Welt immer noch passieren.
Choeung Ek – Killing Fields
Viele der Insassen von Tuol Sleng wurden nach Choeung Ek transportiert und hier dann exekutiert. Getötet wurde aber nicht mit Pistolen oder Gewehren, die Kugeln waren zu wertvoll. Deshalb wurde mit allem hingerichtet, was man so in die Finger bekam. Äxte, Pickel, Schaufeln, sogar Palmwedel wurden benutzt um Kehlen durchzuschneiden. Der ehemalige chinesische Friedhof liegt etwa 15 km außerhalb von Phnom Penh, für etwa 15 Dollar kann man hier rausfahren lassen und für 5 Dollar die Gedenkstätte besichtigen. Am Eingang bekommt man einen wirklich sehr gut gemachten Audio-Guide in den unterschiedlichsten Sprachen, der einen durch die Anlage führt. Die Massengräber, das eigentliche Killing Field, der Killing-Tree gegen den Kleinkinder und Babys geschlagen wurden, die ausgestellten Knochen und Kleidungsreste, der „Magic Tree“ aus dem durch einen Lautsprecher ohrenbetäubend kommunistische Musik und Propaganda schallte und niemanden schlafen ließ und letztendlich die Stupa mit den aufbewahrten Schädeln der Opfer schnüren einem den Magen zu. Und die Freundschaftsbänder die an den Begrenzungen der Massengräber und am Killing Tree hängen und von Besuchern aus aller Welt zum Gedenken an die Toten hinterlassen werden tun ihr Übriges. Man sollte sich wirklich Zeit nehmen und alle Geschichten des Audio-Guides aufmerksam anhören, sich ein ruhiges Plätzchen suchen und der Opfer gedenken.
Macht man beide Besichtigungen ist das sicherlich ein harter Tag und selbst Abends mag die schwere Stimmung nicht so einfach vergehen. Ich rate trotzdem jedem dazu sich das „anzutun“.
Bei mir hättest du den geschichtlichen Teil in der Schule gelernt – 10. Klasse Geographie :-)
Mann Bollo, wenn wir dich schon damals als Lehrerin hätten haben können. Ich kann mich an den Teil Geschichte bei mir auch nicht erinnern.